Medien, Stiftung

„Du kommst hier nicht rein!“

Von der befremdenden Medienarbeit in manchen Pressestellen

securityEin Ausweis ist noch lange kein Beleg dafür, dass man existiert – weder im physischen noch im metaphysischen Sinne. Streng genommen ist ein Ausweis eigentlich nur das Indiz für die Existenz einer Person bzw. für deren existenzielle Lebensäußerungen. Er ist in keinem Fall aber ein BEWEIS dafür! Darum heißt es ja auch: „Zeigen sie mir mal bitte ihren Ausweis“ und nicht „Zeigen sie mir mal bitte ihren Beweis.“.

Klingt ein bisschen kompliziert? Ist es auch. Deswegen scheinen einige Pressestellen gewisse Schwierigkeiten mit der Akkreditierung von Journalisten zu haben. So stießen die twitternden Kollegen des Deutschlandfunks (@DLF) vor ein paar Tagen auf die Akkreditierungsbedingungen der Messe Berlin. Dort heißt es wörtlich:

  • Die Vorlage eines Presseausweises kann als Indiz für eine hauptberufliche journalistische Tätigkeit dienen.

Genau gelesen? Ein Presseausweis ist also nur ein Indiz. Nein, besser noch: Er KANN als Indiz für eine journalistische Tätigkeit betrachtet werden. So wie der bundesdeutsche Personalausweis vermutlich nur ein Indiz für die Existenz desjenigen ist, den er ausweist. Ob also jemand journalistisch tätig ist, das entscheidet in letzter Instanz das fachkundige Personal der Messe Berlin. Und dieses möchte dafür bitteschön auch einen physischen Beweis:

  •   Die Messe Berlin behält sich in jedem Fall vor, aktuelle tatsächliche Veröffentlichungen einzufordern. […] Redaktionsbestätigungen werden nur noch in Ausnahmefällen anerkannt.

Dies gelte, so wird noch kurz erwähnt, besonders für freie Journalisten.

Im Auftrag ihrer Majestät
Das ist kein Einzelfall, sondern eine merkwürdige Praxis so mancher Pressestelle. Ich selbst wollte letztes Jahr – an einem von drei Tagen – zum deutschen Stiftungstag, ausgerichtet vom Bundesverband deutscher Stiftungen. Auf meinen schriftlichen Akkreditierungswunsch hin erhielt ich folgende Antwort:

  • Herzlichen Dank für Ihr Interesse am Deutschen StiftungsTag. Die Teilnahme am Deutschen StiftungsTag ist kostenfrei für Medienvertreter mit konkretem Berichterstattungsauftrag einer Redaktion.

Immerhin, hier scheint der Redaktionsauftrag noch etwas zu zählen – ganz im Gegensatz zur Messe Berlin. Das Problem aber ist das gleiche. Ginge es den beiden Institutionen nach, sollten Journalisten die geschriebenen Artikel vermutlich am besten schon mitbringen, bevor die Veranstaltung überhaupt stattgefunden hat. Der Hinweis darauf, dass ich seit 15 Jahren DJV-Journalist mit Schwerpunkt Stiftungs- und Wissenschaftskommunikation bin, spielte keine Rolle. Ebensowenig der Umstand, dass ich jedes Jahr regelmäßig über die Projekte der Stiftungen berichte, deren Interessen der Bundesverband grundsätzlich – und auf dem Stiftungstag im Besonderen – vertreten soll.

Pressekonferenz

Die Angst vor dem gewöhnlichen Journalisten
Die Pressestellen der Messe Berlin und des Bundesverbands deutscher Stiftungen stehen exemplarisch für Pressemitarbeiter, denen eine realistische Vorstellung von der Arbeit freier Journalisten offenbar fehlt. Gerade Fachjournalisten ziehen auch ohne direkten Redaktionsauftrag los, um über Entwicklungen und Neues zu berichten. Wer nicht für die tagesaktuelle Presse arbeitet, der nutzt solche Veranstaltungen, um Themen aufzureißen und diese dann im Nachgang Redaktionen anzubieten.

Die Zeiten, in denen jeder Schülerzeitungsvertreter einen Presseausweis erhielt, sind vorbei. Das war irgendwann in den 80ern. Die Richtlinien, nach denen die Fachverbände ihre Presseausweise heute vergeben, sind strikt. Der Ausweis muss jedes Jahr neu beantragt werden. Ohne den Nachweis einer echten journalistischen Tätigkeit gibt es ihn also nicht – zumindest nicht vonseiten der seriösen Verbände. Vor diesem Hintergrund fragt man sich natürlich, wovor die Pressestellen eigentlich so große Angst haben? Werden ihre Veranstaltungen vielleicht von Horden marodierender Journalisten heimgesucht, die es nur auf die Häppchen am kalten Buffet abgesehen haben (und zusätzlich noch ein paar kostenlose Kugelschreiber)? Oder möchte man seine eigenen Events dadurch aufwerten, dass man nur der Premium-Presse wie Spiegel, Stern & Co. Zutritt gewährt?

Schlechte Pressearbeit
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist schlichtweg schlechte Pressearbeit. In meiner Zeit als Pressereferent und Sprecher der Stiftung Jugend forscht e.V. habe ich mich über jeden Medienvertreter gefreut, der unsere Landeswettbewerbe und auch den Bundeswettbewerb besucht hat. Da wurde im Vorfeld nicht nach frei oder unfrei bzw. Redaktionsauftrag „ja oder nein“ selektiert. Da wurde auch nicht die Anzahl der Pressevertreter limitiert, wie der Bundesverband deutscher Stiftungen es nach eigenen Angaben tut. Das nämlich ist das Gegenteil der Arbeit, die eine Pressestelle eigentlich leisten sollte. Pressestellen sind Dienstleister, und Medienvertreter ihre Kunden – keine Bittsteller.

Und ganz ehrlich: Tun wir doch nicht so, als ginge es hier um Veranstaltungen, die von der Presse förmlich überrannt werden würden. Hier wird nicht das neue iPhone 14 aus dem Sack gelassen. Trotzdem wird der Sack irgendwann zugemacht. Die Kollegen von den Öffentlich-Rechtlichen dürfen kommen und die von der Thüringer Allgemeine bleiben außen vor? Ach nee, die kommen ja auch mit direktem Redaktionsauftrag. Es geht ja nur um die Freien. Die haben doch – wie der Name schon sagt – sowieso ein freies und lockeres Leben. Dann ist es ihnen ja wohl auch zuzumuten, dass sie sich regulär als Teilnehmer anmelden und den vollen Tagessatz zahlen. Nicht auszudenken, wenn sie akkreditiert würden, dann aber im Nachgang aus ihrem Recherchebesuch kein Beitrag entstünde. Der entstehende Schaden wäre kaum zu beziffern.

Noch mal im Klartext: Eine Pressestelle arbeitet FÜR die Medien, nicht gegen sie. Jeder Medienvertreter ist ein potenzieller Berichterstatter und Multiplikator. Empfinden sich die Mitarbeiter einer Pressestelle allerdings als Hüter des Heiligen Grals bzw. Türsteher eines Geheimbundes, der vor unerwünschten Eindringlingen geschützt werden muss, dann stimmt etwas mit ihrem beruflichen Selbstverständnis nicht.

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