Kreativ & frei, Kunde & Co., Medien

Auftrag storniert

Ein enges und persönliches Verhältnis zwischen freiem Autor und Auftraggeber ist eine tolle Sache. In einigen Projekten hat man fast das Gefühl, als sei man ein direkter Mitarbeiter des Kunden. Genau das kann aber auch problematisch werden.

Je vertrauter das Verhältnis Autor/Auftraggeber, desto größer die Gefahr, dass sonst übliche Geschäftsgrundsätze einer gewissen Erosion zum Opfer fallen. Einer dieser Grundsätze lautet: Ein erteilter Auftrag ist ein erteilter Auftrag. Es passiert immer mal wieder, dass gute Kunden zum Hörer greifen und einem in wenigen Sätzen sagen, „dass man gerade intern zusammengesessen hätte und zu dem Ergebnis gekommen sei, dass die 60-seitige Broschüre vielleicht doch nicht publiziert werden soll. Vielleicht reiche ja auch ein kleiner Flyer, Format DIN A5 lang.“

*puff* Und ein eigentlich fester Auftrag hat sich in Luft aufgelöst. Er hätte in zehn Tage starten sollen, avisiert waren 40 Arbeitstage (also zwei Monate reine Projektzeit) und nun ist nichts mehr davon übrig.

Für den Kunden war das nur ein Telefonat. So als ob er einen seiner Projektleiter darüber informiert hätte, dass sich ein bestimmtes Projekt verschiebt oder vielleicht gar nicht realisiert. Den fest angestellten Projektleiter kümmert das wenig. Schließlich gibt es noch anderes zu tun und wird das Gehalt am Monatsende trotzdem überwiesen. Nicht jedoch beim freien Mitarbeiter. Wie sieht es für ihn, den freien Autor (oder auch Grafiker, Gestalter etc.) aus?

Als selbstständiger Autor plane ich meine Projekte so früh wie möglich. Ich möchte gerne wissen, welche Aufträge ich in den nächsten Monaten an Bord habe. Jede Publikation bekommt ein bisschen zeitlichen Puffer nach vorne und hinten, wird aber ansonsten fest terminiert. Das heißt, dass ich für den Zeitraum einer Texterstellung keine weitere Publikation annehmen kann. Wird das fest eingeplante Projekt nun kurzfristig gecancelt, stehe ich gleich vor zwei Problemen: Ich kann den eingeplanten Umsatz mit meinem Kunden nicht realisieren und ich bekomme kurzfristig auch keinen Ersatz (also keinen weiteren Auftrag), der mir diese Lücke füllt. Was jetzt eigentlich anstünde, wäre ein Ausfallhonorar.

Das Ausfallhonorar
Wer einen erteilten Auftrag zurückzieht, ist auch ohne die erbrachte Leistung honorarpflichtig. Er zahlt ein Ausfallhonorar. Wie viel er zu zahlen hat, das ist üblicherweise in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen bzw. Vertragsvereinbarungen geregelt. Je kurzfristiger die Absage, desto mehr ist zu zahlen. Das können ab drei Monaten vor Projektbeginn 25 Prozent der Auftragssumme sein, ab zwei Monaten vorher 50 Prozent und ab einem Monat vorher die vollen 100 Prozent. Das gilt selbst dann, wenn noch kein schriftlicher Vertrag vorliegt. Meine Angebote beinhalten zum Beispiel den Passus, dass mit Angebotsannahme und ohne expliziten Vertrag zunächst meine AGB akzeptiert werden. Diese können online eingesehen werden und enthalten natürlich einen Paragraphen zum Thema „Rücktritt vom Vertrag“.

Doch Moment. Gerade hieß es noch, diesen gebe es ja gar nicht. Stimmt. Zumindest nicht in der ausführlichen Form, in der alle Leistungen üblicherweise fixiert werden. Mit der Angebotsannahme ist aber bereits ein rechtswirksamer Vertrag entstanden. Meistens sogar schriftlich, wenn nämlich ein entsprechender E-Mail-Verkehr vorliegt. Doch auch die telefonische Annahme bedeutet einen rechtswirksamen Vertragsschluss. Das wird gerne mal übersehen. Wir erinnern uns: Man hat doch ein so gutes und persönliches Verhältnis. Da wird ständig hin und her telefoniert, und da kann man so ein Projekt auch mal mit einem kurzen Telefonat absagen. Hat ja noch keiner was unterschrieben. Nein, das muss auch niemand. Schließlich ist ja schon längst ein Vertrag zustande gekommen, der im Zweifel auch zur Zahlung des Ausfallhonorars verpflichtet.

Ein paar goldene Regeln
Wie können sich Auftraggeber besser auf die Situation freier Dienstleister einstellen? Hierzu ein paar praktische Tipps:

  • Nehmen Sie ein Angebot nur an, wenn Sie es wirklich ernst meinen. Das gilt auch für die telefonische Zusage.
  • „Reservieren“ Sie sich nicht die Arbeitszeit eines Freien. Es gibt keine „vorläufige“ Zusage. Schließlich kann auch niemand von einem „vorläufigen“ Honorar seine Miete zahlen.
  • Bedenken Sie: Auch wenn sich ein Projekt nur verschiebt, entsteht für den Freien im ursprünglichen Projektzeitraum ein Verdienstausfall.
  • Seien Sie nicht überrascht oder sogar verärgert, wenn tatsächlich ein Ausfallhonorar gefordert wird. Der Wegfall eines großen Projektes kann für Kreative existenzielle Folgen haben.
  • Besprechen Sie mit dem Kreativen, wie sich ein Honorarausfall vielleicht kompensieren lässt (Abschlagszahlung, Zusage von Folgeaufträgen etc.)

Für freie Autoren/Grafiker/Gestalter etc. gilt:

  • Binden sie die Frage nach dem Ausfallhonorar in Ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit ein.
  • Solange ein Auftrag nicht verbindlich erteilt wurde, gibt es ihn auch nicht. Lassen Sie sich nicht durch Ankündigungen oder Versprechungen hinhalten. Nennen Sie eine Frist, bis zu der sich der Kunde festgelegt haben muss. Der Spatz in der Hand ist hier immer besser als die Taube auf dem Dach.
  • Wird ein Auftrag zurückgezogen, sollte dem Kunden deutlich gemacht werden, was das für Sie bedeutet. Tun Sie nicht so, als sei alles gut. Sonst machen Sie sich dauerhaft zum Spielball dieses Kunden. Verhandeln Sie über eine Kompensation.
  • Hat die kurzfristige Rücknahme eines Auftrags für Sie tatsächlich existenzielle Folgen, dann setzen Sie ihren Anspruch auf Ausfallhonorar durch. Nehmen Sie sich einen Anwalt und klagen Sie auf Erfüllung. Vielleicht verlieren Sie dadurch einen Kunden. Wahrscheinlich aber hätte mit diesem Kunden sowieso keine Basis für eine weitere Zusammenarbeit bestanden. Er hat Sie schließlich ganz schön hängen lassen.

Letztlich gilt für beide Seiten, dass es bei einer guten Zusammenarbeit nicht auf den Kuschelfaktor ankommt. Vielmehr geht es um Vertrauen, Verbindlichkeit und Verlässlichkeit. So wie der Kunde erwartet, dass Kreative ihre Leistungen vereinbarungsgemäß erbringen, erwarten diese, dass auch ihre Kunden die Regeln des normalen Geschäftsverkehrs einhalten.

 

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